Eğrik Dayilkishal

Eğrik der Drachenherr

4: Richtung Osten

Am Morgen erwachte Eðrik, während Awnkledan noch schlief, und so machte er sich auf die Jagd und schoss ein Kaninchen für sich und einen Rehbock für den Drachen. Dann entfachte er ein kleines Feuer, um das Kaninchen zu braten. Vom Rauch erwachte Awnkledan und schnupperte neugierig, doch als er feststellte, dass kein Artgenosse für das Feuer verantwortlich war, sondern nur Eðrik, gähnte er ausgiebig und räkelte sich, was ob seiner Größe sehr beeindruckend war.

„Guten Morgen“, begrüßte er seinen menschlichen Lagergefährten.

„Guten Morgen, feuriger Bruder“, erwiderte Eðrik den Gruß, „ich habe dir Essen besorgt, ich hoffe, du magst Reh.“

Und so machten es sich beide auf der Wiese gemütlich und aßen, während die Krieger des Königs auf ihrem Rückweg die ersten Dörfer erreichten und allen von ihrer merkwürdigen Entdeckung erzählten und davon, dass der gefürchtete Drache entkommen, an seiner Stelle jedoch aber ein anderer aufgetaucht war. Die Neuigkeit verbreitete sich schnell, und Anoramila hatte noch lange etwas zum Erzählen und Staunen.

Awnkledan, der wie alle Drachen mit der Gabe der Vorsehung gesegnet war, blinzelte, nachdem er den Rehbock verschlungen hatte, und sagte zu Eðrik: „Wenn du nicht bald sehr viel Besuch haben willst, solltest du jetzt von hier fortgehen.“

„Aber wohin?“, fragte Eðrik noch kauend.

„Ich fliege nach Osten auf die Inseln“, sagte Awnkledan, „denn meine Liebste lebt jetzt dort, und ich möchte sie treffen.“

„Dann lass mich mit dir kommen“, bat Eðrik. Awnkledan überlegte kurz und blinzelte dann zustimmend. Also ging Eðrik auf den Drachen zu, der sich so flach auf den Boden presste wie es nur ging, und erklomm die mächtigen Schultern des Wesens, um sich zwischen seine Flügel zu setzen.

„Halt dich gut fest“, sagte Awnkledan etwas besorgt, „ich bin es nicht gewohnt, etwas zu tragen.“

„Dann trag mich vorsichtig“, antwortete Eðrik, „ich bin es nicht gewohnt, zu fliegen.“

Und dann öffnete Awnkledan seine Schwingen, fing den Wind darunter ein und schwang sich in die Lüfte, um sich nach Osten zu wenden, auf das Inselreich Shridanor zu.



Der Flug war weit, doch Awnkledan flog schnell, und Eðrik duckte sich auf dem Rücken des Drachen, so dass ihn die Reise weniger erschöpfte als damals, als Kalém ihn in seinen Klauen getragen hatte. Dennoch biss ihn der Höhenwind eiskalt ins Gesicht und zerrte jegliche Wärme aus seinem Körper, und kleine Böen schwächten seine Kräfte.

Schnell hatten sie Anoramila hinter sich gelassen, und nachdem sie auf der Pferdekopfinsel eine kurze Pause eingelegt und zwei wilde Schafe erlegt und gegessen hatten, trugen Awnkledans Schwingen sie über die letzten Inseln hinweg, so dass nur noch das weite, unruhige Meer vor ihnen lag. Der Wind frischte hier auf, wurde stärker und noch kühler und brachte den großen Drachen immer wieder zum Schwanken, so dass Eðrik sich am Ansatz seiner Flügel festklammern musste. Awnkledan wandte einmal kurz den Kopf, um nach seinem kleinen Reiter zu sehen, doch dies brachte ihn in eine falsche Lage, so dass eine plötzliche Windbö ihn beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht hätte. Danach blickte er nicht mehr zurück, sondern konzentrierte sich auf den Flug.

Eðrik sehnte sich nach einer Pause, doch unter sich sah er nur das weite Meer; keine einzige Insel, nicht einmal ein Felsen erhob sich aus den heftig bewegten Wellen. Awnkledan kämpfte immer härter gegen den Wind an, je weiter sie aufs Meer hinausflogen, und es schien Eðrik fast, als flögen sie auf der Stelle. Er schloss die Augen, presste sich auf den Rücken des Drachen und versuchte, nicht an die tobenden Wellen hundert Mann unter ihm zu denken. Endlich jedoch, als Eðrik schon dachte, er würde ohnmächtig vom Rücken des Drachen in den Tod stürzen, spürte er, wie Awnkledan hinabsank. Das Tosen von Wellen, die sich aufschäumend an Felsen brechen, drang an seine Ohren, und der Wind wurde etwas schwächer. Er wartete, bis Awnkledan ziemlich hart gelandet war und öffnete dann die Augen. Sie befanden sich auf einem rauen, schwarzen Felsblock, auf dem nicht einmal ein einziger Grashalm wuchs.

Awnkledan schaute ihn an und schnaufte müde. „Ich hätte dich gerne an einen gemütlicheren Ort getragen, Bruder Zweibein, doch ich bin froh, überhaupt hierher gekommen zu sein.“

„Wo sind wir?“, fragte Eðrik erschöpft und schaute sich um. Hinter sich sah er eine Landzunge mit einem riesigen Berg, der von dunklen Wolken halb verhangen war.

„Nicht im Osten“, antwortete der Drache. „Ein böser Wind weht von Lalha im Norden, und obwohl ich wahrhaftig kein Schlupfdrache mehr bin, konnte ich nicht verhindern, dass er uns nach Süden geblasen hat. Was du dort hinter dir siehst, ist der Arm Dalas, den ihr die Landzunge des Irdena nennt.“

„Irdena, der Berg der Gefahr?“, fragte Eðrik ungläubig. Er hatte an langen Winterabenden oft den alten Geschichten vom feurigen Berg gelauscht, der sich am östlichen Ende der festen Welt erhob und alles fruchtbare Land im Umkreis von vielen Tagesreisen in einen von Asche bedeckten Geröllhaufen verwandelt hatte. In diesem Moment spürte er, wie sich die Erde unter ihm bewegte, und vom Berg drang ein dumpfes Grollen herüber.

Awnkledan schüttelte unbehaglich den Kopf und reckte die Flügel. „Glaub mir, mir gefällt der Ort genauso wenig wie dir, doch ich muss dringend rasten.“

Eðrik seufzte und strich dem Drachen sanft über den Hals. „Nun, hier ist es besser als auf dem Grund des Meeres. Und ich kann auch ein wenig Ruhe vertragen, denn die Wege der Luft sind rau für einen, der gewohnt ist, auf der Erde zu wandeln.“

Also suchte sich Eðrik einen Felsvorsprung, auf dem er bequem sitzen konnte, und holte aus seinem Proviantbeutel die Reste des Kaninchens vom Morgen, um sich etwas zu stärken. Awnkledan schaute hungrig die kleinen Fleischstückchen an, sagte aber nichts, sondern gähnte und ringelte sich an der Außenkante der winzigen Felseninsel entlang und schloss die Augen.

Hinter ihnen stieß der riesige Berg ein Grummeln aus, und Eðrik sah den Widerschein von Feuer, das aus die steilen Flanken entlangfloss. Der Wind, der noch immer kalte Grüße aus dem Eisland brachte, wirbelte die emporsteigende Asche umher und trug sie von den beiden Reisenden fort. Erschaudernd wandte er sich ab und versuchte, etwas zu schlafen, doch die scharfen Kanten des Lavafelsens taten ihm zu sehr weh. Also wandte er sich wieder dem Berg zu und beobachtete ihn, während Awnkledan so vollkommen erschöpft schlief, dass nicht einmal sein Atmen mehr zu sehen war.


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